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KKPII

Einstweilige Stilllegung des Kernkraftwerks Philippsburg 2

Was ist geschehen ?
Schon Ende August wurde festgestellt, dass in einem von vier FlutbehĂ€ltern die dort vorgeschriebene BorsĂ€urekonzentration nicht vorlag. Wenige Tage spĂ€ter zeigten Messungen an weiteren BehĂ€ltern auch dort eine zu geringe  BorsĂ€urekonzentration.
Eine detaillierte Beschreibung der HintergrĂŒnde ist im Pressebereich des
Bundesumweltminsteriums zu finden.

Die FlutbehĂ€lter - beim DWR - sind Bestandteile des NachkĂŒhlsystems zur Beherrschung von StörfĂ€llen. Das heisst, sie sind mit einem Gemisch aus Deionat (vollentsalztem Wasser) und BorsĂ€ure gefĂŒllt.
(Anders als beim SWR wird beim DWR die Leistung mit den RegelstÀben UND mit BorsÀure geregelt.)

Betrieblich (bei Nicht-Störfall) werden sie zum FĂŒllen der Reaktorgrube beim Brennelementwechsel benötigt. Bei StörfĂ€llen mit kleiner Leckrate wĂŒrde aus den FlutbehĂ€ltern mit Hochdruckeinspeisepumpen eingespeist, um den Kern zu bedecken. Bei StörfĂ€llen mit mittlerer oder großer Leckrate wĂŒrde mit Niederdruckpumpen eingespeist, um den Kern zu bedecken (hier mit grĂ¶ĂŸeren Masseströmen).

Bei den im KKW Philippsburg 2 festgestellten Unterschreitungen der spezifischen BorsĂ€urekonzentration in drei der vier FlutbehĂ€lter war die Beherrschung anzunehmender StörfĂ€lle zu keinem Zeitpunkt gefĂ€hrdet, denn die BorsĂ€urekonzentration muss wegen des vorher durchgefĂŒhrten Brennelementwechsels sehr hoch sein. FĂŒr die Störfallbeherrschung wĂŒrden geringe Konzentrationen ausreichen.

Die BorsĂ€ure ist eine leicht wasserlösliche Verbindung, bei der es kernphysikalisch um den hohen Einfangquerschnitt fĂŒr thermische Neutronen von Bor geht. Das heisst, das chemische Element Bor in der Verbindung BorsĂ€ure fĂ€ngt die Neutronen weg, so dass keine Kettenreaktion (Kernspaltung) mehr stattfinden kann. Dies ist im Störfall wichtig, um die hohe WĂ€rme, die durch Kernspaltung entsteht, ausschliessen zu können.

 

 

Was war nun wirklich geschehen?

Nach dem Wiederbeladen des Reaktors wurde am 06.08.2001 das KĂŒhlmittel aus dem Reaktorbecken in die vier FlutbehĂ€lterpaare zurĂŒckgefördert. Im weiteren Verlauf wurden am 09.08.2001 mehrere Druckspeicher, die aus GrĂŒnden der Instandhaltung entleert waren, mit KĂŒhlmittel aus den FlutbehĂ€ltern der StrĂ€nge 10, 30 und 40 gefĂŒllt. Die ErgĂ€nzung des entsprechenden Borwasservolumens erfolgte aus dem betrieblichen BorsĂ€urevorrat unter Beimischung von Deionat, wobei das MischverhĂ€ltnis so einzustellen war, dass die fĂŒr die FlutbehĂ€lter spezifizierte BorsĂ€urekonzentration von 2200 ppm Bor sichergestellt ist. Dieser Nachspeisevorgang war wenige Stunden vor dem Kritischmachen am 12.08.2001 abgeschlossen.

Am 25.08.2001 ergab die Messung der Borkonzentration nach vorherigem 48-stĂŒndigen UmwĂ€lzbetrieb in den FlutbehĂ€ltern von Strang 10 einen Wert von 1950 ppm  Bor. Daraufhin wurde durch Absenken des FĂŒllstands, Nachspeisen hochprozentiger BorsĂ€ure und Durchmischung die spezifizierte Borkonzentration bis zum 28.08.2001 wieder eingestellt.  Nach dem RĂŒckfĂŒhren der WasservorrĂ€te aus dem Flutraum in die FlutbehĂ€lter am Ende des Brennelementwechsels wurden die geringen Verluste ergĂ€nzt. Durch eine nicht erkannte Fehlschaltung wurden diese Verluste nicht aus dem BorsĂ€urevorratsbehĂ€lter sondern mit Deionat ergĂ€nzt. Vor dem Wiederanfahren wurde keine Kontrolle der BorsĂ€urekonzentration vorgenommen. Erst danach wurde geprĂŒft und da stellte man eine geringfĂŒgige Unterschreitung des spezifizierten BorsĂ€uregehalts in einem FlutbehĂ€lter fest. Dem fachkundigen Kraftwerkspersonal war klar, dass die vorhandene BorsĂ€urekonzentration noch gut ausreicht um die ÜberschußreaktivitĂ€t des aktuellen Kerns bei StörfĂ€llen oder beim Abfahren zu binden. Diese AbschĂ€tzung wurde auch vom TÜV in einem Gutachten fĂŒr die Stuttgarter Genehmigungsbehörde bestĂ€tigt. Man korrigierte die BorsĂ€urekonzentration im betroffenen BehĂ€lter und prĂŒfte dann die nĂ€chsten BehĂ€lter. Bei zwei weiteren FlutbehĂ€ltern ergab sich in etwa die gleiche Situation. Auch dort wurde ergĂ€nzt.

Erst im Laufe des 27.8.2001 informierte der Schichtleiter den Bereichsleiter und den Teilbereichsleiter ĂŒber den unzureichenden BorsĂ€uregehalt. Messungen am 27. und 28.8. ergaben, dass auch zwei weitere FlutbehĂ€lterpaare zu geringe BorsĂ€urekonzentrationen aufwiesen. Ab diesem Zeitpunkt war dem Betreiber klar, dass mindestens drei BehĂ€lterpaare zu wenig Bor enthielten. Daraufhin hĂ€tte er die Anlage abfahren mĂŒssen. Dies war aber nicht im Betriebshandbuch explizit vorgeschrieben.

Am 28.8.2001 wurde der BorsĂ€uregehalt des BehĂ€lterpaares JNK 30 mit 1738 ppm abgeschĂ€tzt. Daraufhin wurde dessen FĂŒllstand abgesenkt, BorsĂ€ure nachgespeist und anschließend 48 Stunden umgewĂ€lzt. Am 30.8.2001 wurde eine BorsĂ€urekonzentration von 2280 ppm ermittelt.

Am 30.8.2001 ergab eine Probenahme am BehĂ€lterpaar JNK 40 einen Wert von 1975 ppm. Bis zum 31.8.2001 wurde der FĂŒllstand abgesenkt, BorsĂ€ure nachgespeist und anschließend 48 Stunden umgewĂ€lzt. Am 03.09.2001 wurde eine BorsĂ€urekonzentration von 2234 ppm festgestellt und der BehĂ€lterinhalt anschließend 48 Stunden umgewĂ€lzt. Im BehĂ€lterpaar JNK 20 war keine Korrektur erforderlich.
SpĂ€testens am 6.9.2001 standen alle FlutbehĂ€lterpaare wieder mit der erforderlichen BorsĂ€urekonzentration zur VerfĂŒgung.

 

BorsĂ€ure- und Deionateinspeisung (KBC-System) – vereinfachter Systemaufbau

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man hatte möglicherweise gegen formale Festlegungen im Betriebshandbuch verstoßen, eine tatsĂ€chliche Gefahr war nie vorhanden, selbst wenn es in den wenigen Tagen, bevor die richtige Konzentration wieder eingestellt worden ist, zu einem Störfall gekommen wĂ€re.

Die Zeitdifferenz von 13 Tagen zwischen dem Kritischmachen und der ersten Probenahme erklĂ€rt sich durch einen zwischenzeitlichen Reinigungsbetrieb des BE-Beckens, womit der UmwĂ€lzkreislauf fĂŒr das Durchmischen der FlutbehĂ€lter (Voraussetzung der Probenahme) nicht zur VerfĂŒgung stand.

Die zwischenzeitliche Abweichung der Borkonzentration in den FlutbehĂ€ltern vom spezifizierten Wert fĂŒhrte zu keinen sicherheitstechnischen Defiziten, da

a) die FlutbehĂ€lter durch den PrĂŒfbetrieb der Sicherheitseinspeisepumpen bereits vor dem Anfahren durchmischt waren, wobei der Umfang der Durchmischung noch zu ĂŒberprĂŒfen wĂ€re 

b) die vorliegende Borkonzentration in allen relevanten FĂ€llen deutlich ĂŒber den erforderlichen Werten zur Sicherstellung der langfristigen UnterkritikalitĂ€t lagen. Dies wurde zeitnah zu den Messungen durch Nachrechnung des aktuellen Beladeplans nachgewiesen.

 

Was wirft nun Trittin der Betriebsmannschaft bzw. der Betriebsleitung vor?

Man habe nicht sensibel genug auf diese Abweichung von den spezifizierten Werten in sicherheitsrelevanten Systemen reagiert. Man hĂ€tte die Meldung nicht als Normalmeldung sondern als Eilt-Meldung an die Behörde leiten mĂŒssen und man habe die Anlage sofort bei Erkennung des Fehlers vorsorglich abfahren mĂŒssen. (Letzteres ist sogar sicherheitstechnisch Unsinn!)

Zur Strafe ist die Anlage nun erst einmal einige Tage vom Netz genommen worden (mit einem Betriebsverlust von etwa 1 Mio DM/Tag).

 

Die neuerlichen VorwĂŒrfe bzgl. Abweichungen bei Konzentrationen und FĂŒllstĂ€nden von weniger als 5 % erschrecken einen Naturwissenschaftler natĂŒrlich besonders, da jede Messung mit einem natĂŒrlichen systematischen und statistischen Fehler behaftet ist, der bei kurzen Messungen im Bereich von 5 % liegt. Das liegt in der Natur der Messung selbst.... Offensichtlich haben diese Leute, die das so heiss diskutieren, noch nie selbst mal in der Praxis irgendetwas gemessen....