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Terroristische Angriffe auf kerntechnische Anlagen

Solche Gefahren sind nicht leicht einzuschätzen, wenn man diese neue "Qualität" von Terrorismus vor Augen hat, die uns alle überrascht hat. Zugegebenermassen hat beim Bau von KKWs keiner an diese Art von Terrorismus gedacht, wie in New York. Wir Naturwissenschaftler und Ingenieure sind aber immer etwas vorsichtiger als unbedingt nötig. Deshalb hat man beim Bau an den versehentlichen Absturz einer Militärmaschine gedacht. Das hat man dann mit grösstmöglich negativster Annahme für die Auslegung eingeplant.

Die Auslegung der Kernkraftwerke gegen Flugzeugabsturz beginnt bereits mit den ersten Anlagen. Lediglich die Lastannahmen (Flugzeuggewicht, Aufprallgeschwindigkeit, Masse des mitgeführten Treibstoffs) haben sich im Laufe der Zeit geändert. Die heute noch gültigen Lastannahmen stammen von etwa 1973. Das heisst, dass man davon ausgehen kann, dass alle Kernkraftwerke in Deutschland und der Schweiz, deren 1. Teilgenehmigung nach 1973 erteilt wurde, gegen die heute gültigen Lasten ausgelegt sind. Diese Lastannahmen sind z.B. in den RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren von 1981 enthalten.

Insgesamt bleibt festzuhalten: Die deutschen KKWs haben ein Contaiment, dass aus einer 4 cm dicken Stahlkugel besteht (siehe Aufbau KKW) und darüber nochmal Beton. Diese Dinge sind für den Absturz (direkten Anflug mit 774 km/h; die Maschinen in NY sollen etwa 350-400 km/h schnell gewesen sein) einer Militärmaschine im rechten Winkel ausgelegt. 4 cm dicker Stahl, der ja auch noch elatisch nachgibt... Nun behaupten einige, dass ja eine Linienmaschine schwerer wäre und mehr Treibstoff an Bord hätte, der dann brennen würde... Das hat niemand ausprobiert. Richtig! Ich würde aber mal formal bestreiten wollen, dass die Maschine durch die Betonhülle und die 4 cm dicke Stahlhülle so tief eindringt, dass Sie auch noch das Betonfundament ankratzt, in dem der Reaktordruckhälter (ebenfalls nochmal cm-dicker Stahl) sitzt. Eine Freisetzung von Radioaktivität halte ich deshalb für sehr sehr unwahrscheinlich. Der Reaktordruckhälter, mit samt seinem Betonfundament drum herum wird auch einer Linienmaschine standhalten. Ausserdem ist für ein eventuelles Durchschlagen der Betonwand ist vor allem der Aufprall der massiven Triebwerkswelle entscheidend. Diese ist aber bei Verkehrsmaschinen und Militärjets relativ ähnlich. Der Rest des Flugzeuges ist gezielt in Leichtbauweise gefertigt und kann kaum starke örtliche Stosslasten ausüben.

Denkbar wäre maximal ein Abriss einer der Kühlmittelleitungen (bei einem sehr massiven Aufstoss der Maschine, wenn sie denn wirklich durch die 4 cm Stahlhaut durch gelangt). Davon gibt es aber immerhin 4 Stück !!!, die eine Kühlung auch dann noch gewährleisten, damit es nicht zur Kernschmelze kommt. (übrigens haben Kernschmelzversuche gezeigt, dass die Schmelze durch den Betonboden auch nicht bis in das Erdreich gelangen kann.) Maximal denkbarer Schaden wäre im absolut denkbaren Extremfall eine leichte Freisetzung von Aktivität, niemanls ein Tschernobyl o.ä. Davon bin ich überzeugt.

Um auch einige Fakten zu nennen: In den 70er Jahren wurden auch Versuche angestellt, bei denen ein Segment einer Reaktorgebäudewand aufgebaut und von der Bundeswehr mit Raketen beschossen wurde, deren Auftreffcharakteristik der des Triebwerksblocks aus der Auslegung ähnlich war. Das Ergebnis waren einige äusserlich abgeplatzte Betonstellen, die äusserste Teile der Stahlbewehrung marginal freilegte. Der Schaden war derart gering, dass auch mehrere nachfolgende Belastungen gleicher Art keine Durchdringung bewirkt hätten. Neben der Durchdringung des Reaktorgebäudes, die somit in jedem Fall verhindert wird, kümmert sich die Auslegung auch um die Abdeckung der weiteren Forderungen, dass (a) kein brennendes Kerosin in das Gebäude eintreten kann, (b) eine Kerosinexplosion als Sekundärbelastung keine wesentlichen Schäden verursacht, (c) evtl. unterirdisch verlegte Leitungen nicht von in den Boden eindringenden Bruchstücken beschädigt werden, und (d) weder durch den Primärimpakt, noch durch ihn angeregte Gebäudeschwingungen Abplatzungen oder andere Schäden im Inneren des Gebäudes auftreten können. Davon ist (b) schon durch die Auslegung gegen äussere Gasexplosionen und (d) weitgehend durch die Auslegung gegen Erdbebenschäden abgedeckt.

 

Im übrigen sind KKWs nicht unbedingt ein sinnvolles Ziel von Terroristen. Sie könnten damit unmittelbar nur wenige Menschen töten. Ihr "Erfolgserlebnis" wäre demnach sehr gering, denn selbst eine Freisetzung von grossen Mengen Radioaktivität - wenn sie denn stattfände - würde sich erst durch Spätschäden bemerkbar machen.

Ein KKW ist zudem viel schwerer "richtig" anzufliegen. Es ist viel niedriger als das World Trade Center. Es muss, um den "richtigen" Winkel (für das Triebwerk!) beim Auftreffen zu erreichen, im steilen Sinkflug! punktgenau getroffen werden, und das alles infolge der Auslegung bei einer Absturzgeschwindigkeit von knapp 800 km/h (also auch noch mit etwa der doppelten Geschwindigkeit, als sie im Falle des World Trade Center vorlag). Etwas unrealistisch zu realisieren mit einem Verkehrsflugzeug.

 

Die Diskussion um einen Absturz auf die Wiederaufarbeitungsanlage LaHague in Frankreich sehe ich in demselben Kontext. Auch hier sind die Anlagenteile hinter meterdicken Betonwänden (wegen der Strahlung). Die radioaktiven Stoffe werden als Brennelemente gelagert, also in der festen Uranmatrix, bei der man bereits zeigen konnte, dass sie die Radioaktivität nicht so leicht freigibt. Diese Brennelemente sind sehr stabil und aus Zirkaloy-Stählen gefertigt. Hier würden unmittelbar nur wenige kaputt gehen. Die radioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung werden in La Hague auch gleich verglast.So eine Glaskokille ist dann auch ein sehr stabiles Gebilde. Ein Angriff wäre ziemlich unwahrscheinlich, weil wenig "attraktiv".

Das öffentliche Interesse wird in Deutschland auf Radioaktivität gelenkt, da dies mit existierenden Bildern von menschlichen Schicksalen in Hiroshima und Nagasaki bzw. mit Tschernobyl verglichen werden kann. Um wieviel Gefährlicher ist aber der Terrorismus mit biologischen Mitteln oder Computerviren (die schwer nachzuweisen sind)....

Die Diskussion über die Gefährdung von Kernkraftwerken durch Terroristen in Passagiermaschinen geht in die falsche Richtung. In Deutschland gibt es 7.800 Anlagen, die der Störfallverordnung unterliegen, d.h. Anlagen , die bei Terroranschlägen oder unsachgemässer Betreibung eine Gefahr für die Bevölkerung darstellen können.Dazu gehören neben Kernkraftwerken Raffinerien, Treibstofflager, Chemieanlagen usw. Diese alle gegen Terroristen in Passagierflugzeugen zu schätzen ist technisch und finanziell nicht möglich. Der Schutz muss deshalb bei den Flugzeugen ansetzen, wie es Israel uns allen vorgemacht hat.

Weiteres Hintergrundmaterial:

Besonders informativ und weitgehend auf die deutsche Situation übertragbar ist die Stellungnahme des HSK-Schweiz

Die Lastannahmen (Stosslast, Auftreffwinkel, Auftrefffläche ...) für die Auslegung von deutschen Druckwasserreaktoren gegen derartige Katastrophen kann bei der  Reaktorsicherheitskommission (RSK) nachgelesen werden. (RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren; Unterpunkt 19.1)

Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission

Die U.S. NUCLEAR REGULATORY COMMISSION hat auf ihrer Homepage  einige Fragen und Antworten veröffentlicht.