Was
ist waffenfähiges Material? - Von den Schwierigkeiten
eine Atombombe zu bauen!
Vor
die Beantwortung dieser Frage muß vorab eine Diskussion gestellt
werden, die prinzipell klärt, welche Materialien als Waffen
oder für terroristische Aktivitäten geeignet sind. So ist
es zum Beispiel schon in Brasilien passiert, dass durch Unachtsamkeit
spielende Kinder eine Cs-137 Kanone (die g-Strahlung
von Cäsium-137 oder Kobalt-60 wird als „Kobalt-Kanone“ für
medizinische Anwendungen vielfältig verwendet) auf einem Schrottplatz
fanden und auseinander genommen haben. (Sie mußten anschließend
in Bleisärgen beerdigt werden.)
Die Mengen an radioaktiven Material in solch relativ kleinen
medizinischen Kapseln sind sehr gross, und diese Kinder haben
unmittelbar mit dem glitzernden Metall gespielt. Radioaktives
Material über eine grosse Fläche zu verteilen, wäre hingegen
als Waffe wenig wirksam, da die erforderliche Dosis zum Töten
von Menschen praktisch nicht zu erreichen ist. Es könnten
maximal Spätschäden erzielbar sein, was aber für Terroristen
wenig reizvoll erscheinen mag.
Solch
grosse Mengen an Radioaktivität sind natürlich nicht leicht
zu bekommen und der Aufwand für deren Beschaffung stünde in
keinem Verhältnis zu dem, was man damit anrichten kann. So
sind biologische Krankheitserreger oder chemische Waffen wesentlich
einfacher herzustellen und zu verbreiten und richten unmittelbar
wesentlich grössere Schäden an.
Für
die Diskussion um Beschaffung von Kernmaterial aus Beständen
der ehemaligen Sowjetunion o.ä. muss man sich mit dem Bau
von Kernwaffen (Atombomben) auseinandersetzen, deren verherrende
Wirkung sich in Hiroshima und Nagasaki zeigte. Solche Bomben
sind extrem schwierig zu realisieren, auch wenn man im Besitz
von waffenfähigem Material wäre. Diese zu zünden, so dass
die nukleare Kettenreaktion Explosionswirkung entfaltet, verlangt
besondere Kenntnisse und ist äusserst schwierig. Gelingt das
nicht, kommt es nur zu einer Verpuffung, die die kritische
Masse (ausreichende Menge für eine Kettenreaktion) zerstäubt
und damit in unterkritische Mengen (nicht spaltende Menge)
teilt.
Denkbar
wären auch Bomben, die „nur“ zu einer radioaktiven Verseuchung
führen würden, da sie nur kurzzeitig die Kettenreaktion aufrechterhalten
können, und deshalb keine Detonationswirkung hätten, sondern
„nur“ Spaltprodukte in der Biosphäre verteilen. Hier stellt
sich wieder die Frage, ob die erforderliche Dosis zum Töten
von Menschen überhaupt erreicht werden kann. Der Aufwand sich
spaltbares Material zu beschaffen und dieses wenigstens kurzzeitig
zur Kettenreaktion zu bringen, stünde wiederum in keinem Verhältnis
zum Resultat.
Nagasaki
nach dem Abwurf einer Atombombe am 9. August 1945. Im Gegensatz
zur Uranbombe auf Hiroshima, die in etwa 500 m über dem Erdboden
gezündet wurde, ist diese auf dem Boden explodiert und verwüstete
mehr als 3 km2 der Stadt und mehr als 45000 unmittelbare Tote.
Die Sprengkraft entsprach etwa 20 kt TNT.
Waffenmaterial
für Atombomben muß ganz besonderen Anforderungen genügen.
Es muss eine durch ungebremste, sog. schnelle Neutronen auslösbare,
gewichtsmäßig auf die Transportierbarkeit begrenzte kritische
Masse aufweisen. Nur wenige Stoffe (die sehr hoch gereinigt
sein müssen) sind für den Bau von „Atombomben“ geeignet, die
eine entsprechende Detonationskraft mit all den anderen negativen
Folgen einer Kernwaffenexplosion, wie Neutronenstrahlung,
Hitze, harte Gammastrahlung etc. erzielen. Diese Materialien
altern mit der Zeit und werden dann unwirksam und deren Beschaffung
ist natürlich durch Kontrollmassnahmen der Internationalen
Atom Energie Behörde (IAEA)
äusserst schwierig. Diese Behörde kontrolliert jede Bewegung
von Kernmaterial im Milligram-Massstab und deren Inspektoren
untersuchen auf Verdacht alle möglichen Produktionsstätten
überall in der Welt. Dabei kommen Detektionsmethoden zum Einsatz,
die geringste Spuren in Stäuben bspw. von spaltbarem Material
bereits nachweisen in der Lage sind. Zum Vergleich gibt die
folgende Tabelle die kritischen Massen von spaltbaren Materialien
in kg an (1’000’000 mg = 1 kg)
Isotop
|
krit. Masse in kg
|
U-235
|
22,8
|
U-233
|
7,5
|
Pu-239
|
5,6
|
|
Tabelle
kritische Massen für eine kugelförmige (heterogene) Anordnung
der Metalle mit Reflektor (kritische Masse: die Masse, bei der
die Kettenreaktion (Kernspaltung) von selbst einsetzt)
Ohne
Reflektor sind die kritischen Massen 45 kg, 11,5 kg und 10
kg. Da aber die Waffen immer voll reflektiert gebaut werden,
sind es in Wirklichkeit 18, 6 und 4 kg, die bei “normaler”
Zündung gebraucht werden. Mit Raffinesse geht es bei Pu auf
0,5 kg herunter.
Spaltbare
Materialien sind z.B. Uran-233, Uran-235, Plutonium-239 und
Plutonium-241 (und einige sehr schwere Actiniden, die praktisch
nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden
können), welche durch Neutroneneinfang bevorzugt eine Kernspaltung
ausführen und dabei Neutronen freisetzen, die eine weitere
Kernspaltung auszulösen vermögen, was zu einer unkontrollierten
Kettenreaktion (einer exponentiellen Vermehrung der Spaltprozesse)
führt.
Uran-233
kann durch Neutronenbestrahlung von Thorium-232 hergestellt
werden. Was benötigt wird ist also ein kleiner Reaktor, der
einen ausreichend hohen Neutronenfluß hat, wobei die Halbwertszeit
genügend lang ist, um über einen großen Zeitraum zu produzieren.
Die Uran/Thorium-Trennung ist chemisch simpel. Soweit zur
simplen Theorie. Natürliches Thorium enthält in wechselnden
Mengen kleine Anteile an Th-230, das im Reaktor U-232 bildet.
Dieses Isotop, das auch durch andere Kernprozesse (schnelle
Neutronen oberhalb von 6,7 MeV) neben dem U-233 entsteht,
hat als sehr störendes Zerfallsprodukt in der Kette das Thallium-208
(mit 2,6 MeV Gammastrahlung), das die Verwendung wegen der
Handhabungserschwernisse praktisch ausschliesst.
Uran-235
kommt zu 0,72% in natürlichem Uran in der Natur vor. Es bedarf
komplizierter Technologie dieses bestimmte Isotop auf eine
ausreichend hohe Konzentration anzureichern. Die Isotopenanreicherung
wird bisher nur von hochindustrialisierten Ländern, wie USA,
Deutschland, Frankreich, Großbritanien, Russland, Japan in
größerem Massstab betrieben, da es extrem schwierig ist die
geringen Massenunterschiede in den Isotopen physikalisch auszunutzen,
um einen Stoff von 0,72 % auf deutlich über 90% anzureichern.
Diese Prozesse sind hochkompliziert und stromintensiv. Die
Anlage sind gross und per Satelit leicht auszumachen. Die
Isotopentrennung mit Laser ist hiervon ausgeschlossen, jedoch
ist deren Verwirklichung im grossen Massstab noch nicht gelungen.
Plutonium-239
kann ebenfalls durch Neutronenbestrahlung im Kernreaktor oder
jeder anderen Neutronenquelle erzeugt werden. Es entsteht
aus Uran-238, dem Isotop, aus dem natürliches Uran zu 99,275%
aufgebaut ist. Die notwendige chemische Separation ist anspruchsvoll,
aber heute Standardwissen der Radiochemie. Kritisch ist dagegen
die mit der Bestrahlungszeit (vorallem in Niedrigflussreaktoren)
vermehrt gebildeten Verunreinigung an Plutonium-240, wie es
in großem Umfang in Kernkraftwerk mit erzeugt wird. Reaktorplutonium
ist kein Waffenplutonium! Pu-240 liefert fortlaufend durch
spontanen Zerfall Neutronen, die den für die Kettenreaktion
in der Bombe notwendigen, raschen lawinenartigen Aufbau der
Neutronengenerationen durch Frühzündung soweit abmildern,
dass es nur zu einer wenig wirksamen Verpuffung kommt.
Aber
selbst der Besitz von „Kernmaterial“ bringt niemanden deswegen
schon in den Besitz einer Atombombe. Die chemischen Treibladungen
und die elektronischen Zünder, die die unterkritische (nicht
spaltende) Anordnung in der ungezündeten Bombe mit der höchstmöglichen
Beschleunigung und für eine ausreichend lange Zeit zu einer
kritischen Anordnung verdichten müssen und die einsetzende
Kernreaktion für eine ausreichend lange Zeit aufrechterhalten
müssen, sind technologisch sehr anspruchsvoll. Während bei
einer U-235 Bombe zwei Halbkugeln ineinandergeschossen werden,
ist die Verdichtung von Plutonium extrem schwierig, weil nur
durch die exakt kugelsymmetrische Stosswelle zu erreichen.
Die elektronische Schaltung dieser Zünder ist absolute Hochtechnologie.
Wenn diese Zünder nicht exakt in einem ms-Intervall gleichzeitig
zünden und ihre Wirkung absolut gleichmäßig entfalten, kommt
es nur zu einer sehr kurzen Kettenreaktion, die zu einer Verpuffung
des spaltbaren Materials führen würde. In über 50-jähriger
Entwicklungsarbeit haben die grossen Waffenländer diese Probleme
auch für etwas weniger reinen Spaltstoff beherrschen gelernt,
was aber nicht heisst, dass dieses Wissen und die dazugehörigen
Einrichtungen zugänglich oder verfügbar wären.
Abb.
3: Eine Prinzipskizze für eine moderne U.S. thermonukleare
Bombe. Entnommen aus dem Cox-Report des US Congresses (May
1999). Diese W87 thermonukleare Bombe wird mit MX Interkontinentalraketten
abgeschossen.
Moderne
Kernwaffen sind sogenannte Kombinationswaffen. Hierbei wird
zuerst eine Spaltreaktion meist im Pu-239 ausgelöst. Diese
Spaltreaktion macht aus dem in der Bombe befindlichen
Lithium- deuterids (mit angereichertem Li-6) Tritium, welches
eine D+T-Reaktion (so wie in einer Wasserstoffbombe, aber
hier nur zur Leistungssteigerung) realisiert.
Die dann bei der Fusion freiwerdenden schnellen Neutronen
können ihrerseits das in der Ummantelung befindliche U-238
spalten, was aus energetischen Gründen mit den Spaltneutronen
des U-235 nicht möglich ist.
Mit einer relativ geringen Menge an U-235 und Tritium kann
eine im Prinzip beliebig große Menge des Lithiumdeuterids
und des U-238 verwendet werden. Das Prinzip dieser Art von
Bomben ist also fission- fusion-fission. Damit kann man die
Sprengwirkung und die Neutronenstrahlung von der Spaltproduktverseuchung
weitgehend abkoppeln, was für Angriffskriegführung entwickelt
wurde.
Die
folgende Abbildung zeigt eine strategische Kernwaffe vom Typ
B-83, die sowohl in der Luft als auch am Boden, sowie auch
verzögert explodieren kann. Die Länge dieser Waffe ist etwa
3,5 m, das Gewicht etwa 1,12 t und die Detonatioskraft ist
im Megatonnen-Bereich.
Im
Laufe der militärischen Entwicklung sind verschiedene Sondertypen
entstanden, die u.a. auch zur Zerstörung terrestrischer Nachrichtenver-
bindungen durch Freisetzung von Nuklearenergie elektrische
Felder (Höhengewitter) auslösen. Man kann ebenfalls die Neutronenstrahlung
relativ zu anderen Wirkungen verstärken, was im Kriegsfall
die Wirkung von Abschirmungen (Panzerstahl) mindern soll.
Ob diese zusätzlichen Wirkungen aber tatsächlich von entscheidendem
militärischem Gewicht sind, wird selbst von Verpfechtern solcher
Waffen nicht behauptet.
Es
ist zu erwarten, dass die grossen Nuklearwaffenarsenale, die
alle vor 1987 aufgebaut wurden, aus verschiedenen Gründen
(Zerfall des Tritiums, Alterung der Treibmunition, Schädigung
der Transistoren der Zündelektronik durch Strahlung von Verunreinigungen,
hauptsächlich Americium) schon um 2015 auf wenige hundert
brauchbare Gefechtsköpfe geschrumpft sein werden, wenn nicht
teure Erneuerungsprogramme durchgeführt werden. Wegen der
im Vergleich zur Abschreckungswirkung unverhältnismäßig hohen
Kosten ist es verständlich, dass die grossen Nuklearwaffenmächte
weiter abrüsten.
Die
Gefahr der Weiterverbreitung von Kernbrennstoffe (Proliferation)
wird durch die IAEA (International Atomic Energy Agency) in
Wien weltweit kontrolliert. Dieser Kontrolle unterliegt auch
HEU-Brennstoff für Forschungsreaktoren (HEU – high enriched
uranium, d.h. hochangereichertes (größer gleich 20%) Uran-235.
Auf
das Problem der Alterung von Atonmbomben (Start-2-Vertrag,
bei dem Amerika die Wartung russischer Bomben finanziert)
kann in diesem Rahmen auch nicht eingegangen werden.
Lesen
Sie auch: “Terroristische
Angriffe auf Kernkraftwerke - Sinn oder Unsinn”
weitere
Informationen:
- Nuclear
Weapons Frequently Asked Questions
- Dokumentationen
und Diagramme zur Atombombe (von www.safog.com)
- Trinity
Atomic Web Site
- Military/The
Mike Shot, the First Hydrogen Bomb Detonation
- Richard
L. Garwin, Georges Charpak, Megawatts and Megatons, A Turning
Point in the Nuclear Age?, Alfred A. Knopf Verlag, New York,
2001
- Filedownload
(264kB, format *.pdf, Artikel aus der renommierten Zeitschrift
“Nature” mit dem Titel “Science of nuclear warheads” (Nature
vol. 415 vom 21. Februar 2002, www.nature.com)
Der Autor
vor einem Modell der historischen Atombombe “fat man” im Atommuseum
von Los Alamos (New Mexiko, USA).
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